Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2022
Am 27. Januar 2022, dem Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus, hatte Bürgermeisterin Nadine Stitterich gemeinsam mit Pfarrer Michael Zemmrich zu einer Andacht mit Kranzniederlegung am Ehrenmal auf den Friedhof in Markranstädt eingeladen. Der Einladung waren neben Vertretern der Stadtratsfraktionen auch Ines Lüpfert, 2. Beigeordnete des Landkreises Leipzig, sowie Schülerinnen und Schüler von Oberschule und Gymnasium gefolgt. Insgesamt nahmen rund 50 Personen an der Feierlichkeit teil.
Am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz von den Soldaten der sowjetischen Armee befreit. Nur noch ca. 7.000 Menschen von weit über einer Million, welche nach Auschwitz deportiert wurden, konnten an dem Tag die Befreiung des Lagers miterleben. In dem Konzentrationslager wurden nicht nur Juden, sondern auch jene vergast, gefoltert und im Rahmen von medizinischen Experimenten gequält, welche anderes waren und nicht ins ideologische Weltbild passten, wie Behinderte, Homosexuelle oder auch politische Gegner. Damit diese furchtbaren Taten auch zukünftigen Generationen im Gedächtnis bleiben sollen, wurde im Jahr 1996 in Deutschland der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus eingeführt.
Bei seiner Rede brachte Pfarrer Zemmrich zum Ausdruck „…Uns ist heute zum Greifen nahe, wie rasch Reglementierungen Menschen gegeneinander treiben…“. Mit seinen gewohnt feinfühlig gewählten Worten stellte er einen nachvollziehbaren Bezug zur heutigen Lage unten den kräftezehrenden Corona-Bedingungen her, ohne die Grausamkeit des Holocaust in irgendeiner Weise zu mindern oder die derzeitige Situation überzubewerten. Denn auch für ihn ist unbestritten, dass die Geschehnisse von damals des Neuen Testamentes „teuflische Verbrechen“ waren. Ganz bewusst erwähnt er den Teufel, der im griechischen Urtext „Diábolos“ genannt wird, was „der Durcheinanderwerfer“ bedeutet. Der Diábolos flüstert „Teile die Welt ein, um zu herrschen. Schaffe dir dazu ein klares Feindbild. Nenne konsequent das Deine gut. Und alles, was dein Feind denkt, sagt und tut, das nenne böse. Und glaube daran. Nenne auch das Gute Deines Feindes böse. Und glaube daran, dass es so ist. Dann kannst du deinen Feind mit gutem Gewissen umbringen. Verbal, wirtschaftlich und existentiell. Töte ihn! Denn er hat nichts Anderes verdient!“. In seine Ausführungen stellt Zemmrich eindeutig fest, dass Auschwitz die schrecklichste Konsequenz dieser Einflüsterung ist. Aber er erläutert ganz klar weiter, um nicht missverstanden zu werden, dass allen die gleiche Würde zusteht, auch einem Staat. Der Staat ist kein verbrecherischer Gegner, wenn er seiner Aufgabe der Gesundheitssorge für die Bevölkerung nachkommt. „Eine Aufgabe, die ihm in guter, geordneter Absicht gegeben worden ist. Widerständige Geister, die sich als Opfer betrachten, bedürfen in diesem Falle kritischer Rückfragen.“, so der Pfarrer weiter. Er appellierte an die Teilnehmer, weiter miteinander zu reden und sich nicht gegeneinander aufhetzen zu lassen. Die Ereignisse von damals und die damit verbundenen Auswüchse, wie das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz, dürfen sich nicht wiederholen.
Bürgermeisterin Nadine Stitterich drang in ihrer Rede ebenfalls in die geschichtlichen Ereignisse des Holocaust ein und dankte den Bürgerinnen und Bürgern, welche zu dieser Gedenkstunde auf den Friedhof in Markranstädt gekommen sind, um den unzähligen Menschen, die dem Verfolgungs- und Vernichtungswahn des NS-Regimes zum Opfer gefallen sind, zu gedenken. Sie erinnerte in ihrer Rede an die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt, die ebenfalls deportiert wurden. „Bis heute erinnern wir mit Stolpersteinen daran, dass Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen damals mitten in Markranstädt wohnten und auch arbeiteten, wie z.B. die damals in der Leipziger Straße lebende jüdische Familie Mielziner. Sie wurden 1942 deportiert und im Vernichtungslager Belzec ermordet.“, so Stitterich. Auch stellte sie eine mahnende Verbindung zu heute her. „Antisemitismus gibt es nach wie vor. Das wissen wir nicht erst seit dem Anschlag auf die Synagoge in Halle im Jahr 2019 und seit dem Erstarken der Anti-Corona-Proteste häufen sich antisemitische Straftaten in Deutschland. Onlineplattformen und Messengerdienste bieten einen guten Nährboden für die Ausbreitung und Radikalisierung von Antisemitismus. Aber Antisemitismus entsteht nicht dort. Er entsteht in den Köpfen der Menschen.“ Sie richtete sich insbesondere auch an die jugendlichen Teilnehmer der Gedenkveranstaltung und erinnerte, wie leicht es ist, Menschen ideologisch zu verführen. „Denn Ihre kennt sicherlich alle das Buch „Die Welle“.“, so Stitterich. Sie führte weiter aus, dass es trotz stabiler Demokratie „derzeit Entwicklungen gibt, die sehr bedenklich sind. Gerade in Krisenzeiten vereinfacht man komplexe Zusammenhänge und schiebt Ursachen und Schuld unreflektiert und unbegründet einer einzelnen Gruppe zu.“ Mit ihren mahnenden Worten nicht zu akzeptieren, dass Rassisten zu Gewalttaten aufrufen oder dass Vorurteile und Verschwörungstheorien gefährlich sind, weil sie zu Intoleranz führen, wollte sie an die Werte erinnern, die für uns alle wichtig sind. Für Markranstädt wünscht sich die Bürgermeisterin, dass „wir alle gemeinsam in einer Stadt leben können, wo allen Menschen Freiheit und Sicherheit garantiert wird“. „Deshalb müssen wir an diesem Gedenktag symbolisch die Stimme für alle Menschen erheben, die über ihr eigenes Schicksal heute nicht mehr sprechen können“.
Zur feierlichen Kranzniederlegung am 27. Januar zeigte sich eine Geschlossenheit der Teilnehmer im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus. So legten Andrea Klose (stellvertretende Schulleiterin der Oberschule) und Lars Haugk (Schulleiter des Gymnasiums) gemeinsam einen Kranz nieder. Auch die teilnehmenden Stadtratsmitglieder aus den unterschiedlichen Fraktionen erwiesen den Opfern ihre achtungsvolle Ehrerbietung gemeinsam.
Stadtverwaltung Markranstädt, Heike Helbig