Heimatgeschichte
Der Brühl - Kulkwitzer Gemeindehäuser in Seebenisch
Wenn man von Gärnitz kommend nach Seebenisch fährt, sieht man am Ortseingang auf der linken Seite 4 gleich aussehende Häuser, die sich architektonisch von der umgebenden Bebauung abheben. Diese bebaute Fläche wird in Seebenisch umgangssprachlich als „Der Brühl“ bezeichnet.
Die wenigsten Seebenischer werden heute noch wissen, dass es sich bei diesem Areal um eine „Kolonie“ der Gemeinde Kulkwitz auf Seebenischer Flur handelt, die in den Jahren 1928/29, ausschließlich für die Wohnungssuchenden aus Kulkwitz gebaut wurde.
Wie kam es dazu? Zur Erklärung ein kurzer Blick zurück in die Geschichte.
... TEIL 2 ...
Nach den Gemeinderatswahlen Ende 1926 hatten sich die Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat Kulkwitz total geändert. Die bisherige bürgerliche Mehrheit wurde ab Januar 1927 durch eine deutliche Mehrheit der linken Kräfte (sozialistische Fraktion) abgelöst. Die neue Mehrheit zeigte vom ersten Tag an, wie jetzt zu regieren sei. Sie wollten alles ganz schnell anders und vor allem viel besser machen zum Wohle der armen Einwohner. Die Wohnungsnot war immer noch sehr groß, deren Linderung wurde zur obersten Aufgabe erklärt. Dafür wurden alle finanziellen Mittel darauf ausgerichtet. Bauland war im Gemeindegebiet nur im Besitz der L.B.W. Alle Bemühungen, Teile davon abzukaufen, scheiterten. Enteignungsversuche wurden von der Amtshauptmannschaft (AHM) im Keime erstickt.
Nach intensiver Suche teilte im Januar 1928 der Gemeindeälteste mit, dass er mit Herrn A. Schmidt, Gutsbesitzer in Gärnitz, eine schriftliche Vereinbarung über eine Fläche zum Bauen in Seebenisch getroffen habe. Dieser war bereit, der Gemeinde Kulkwitz 3.000 qm zu einem Preis von 2,50 RM pro qm abzugeben. Es wurden sofort alle notwendigen Schritte zur Sicherung dieses Baufeldes unternommen, für die angrenzende Restfläche war das Vorkaufsrecht zu sichern.
Im Februar wurde der Kaufvertrag abgeschlossen, im März als Architekt Herr W. Beyer ausgewählt, seine Aufgaben waren: einen Bebauungsvorschlag für das gesamte gesicherte Gelände von ca. 11.000 qm auszuarbeiten sowie Wohnungsgrundrisse von ca. 70 qm je Wohnung vorzulegen, die eine moderne Gliederung haben und hygienischen Ansprüchen entsprechen.
Der Bürgermeister legte zum Gemeindehausbau einen Finanzierungsplan vor. Im April 1928 wurden in den neuen Haushaltsplan ca. 63.000 RM für den Hausbau bei einem Gesamtvolumen des Haushaltes von ca. 93.000 RM eingestellt. Im Mai wurde der Ergänzungslandkauf vollzogen.
Ab Mai 1928 wurden aus den Angeboten die Handwerker ausgewählt (jeweils für alle 3 Häuser).
Maurerleistungen gingen an Maurermeister Gustav Taubert aus Kitzen für 67.276.45 RM. „Die AHM macht vor der Erteilung der Baugenehmigung Schwierigkeiten hinsichtlich der Stellung der Häuser, der Trinkwasser-Versorgung und der Abfuhr der Wirtschaftswässer.“ Im Juni gingen die Zimmerarbeiten an Zimmermeister Kohlwagen aus Göhrenz für 26.880 RM.
Mitte Juni erfolgte ein Baustopp wegen nicht erfolgter Abarbeitung von Auflagen. Nach Verhandlungen und weiteren Zusagen erfolgte die Genehmigung zum Weiterbau. Die Baugenehmigung wurde Anfang Juli erteilt.
Die Dachdecker-Arbeiten wurden an Hündorf in Lützen für 9.351 RM vergeben. Das Architekten-Honorar betrug 6,5 Prozent von der gesamten Bausumme. Die weiteren Leistungen wurden nach Bedarf vergeben. Zum anstehenden Richtfest des 1. Hauses Ende Juli wurden für die Bauarbeiter für Esswaren, Zigarren und Bier 140 RM aus der Gemeindekasse ausgeworfen. Ende September wurden 150 RM für das Richtfest des 3. Hauses freigegeben.
Am 20. Oktober 1928 erfolgte durch die Gemeindeverordneten in öffentlicher Sitzung für die Häuser 1, 2 und 3 die Wohnungsvergabe an Kulkwitzer Bürger und die vorläufige Mietzinsfestlegung: für Haus 1 und 3 zu 300 RM/Jahr und für Haus 2 zu 250 RM/Jahr. Am 29. Oktober 1928 wurde beschlossen, vor Bezug des 1. Hauses dies der Öffentlichkeit vorzustellen.
Im November 1928 war die Amtszeit des Bürgermeister Kaube vorbei, der neue Bürgermeister, R. Schulter, trat im Januar 1929 sein Amt an.
Fortsetzung folgt…
TEIL 1 finden Sie hier: https://markranstaedt.de/de/newsdetails/heimatgeschichte.html
16.04.2023